2022/02

Es gibt schon Gründe zornig zu werden. Wenn man sich ungerecht behandelt fühlt oder wenn man von anderen missachtet wird. Wenn sich einer gekränkt und verletzt fühlt, dann ist ein damit einhergehendes Gefühl der Zorn. Wir kennen dafür noch andere Ausdrücke: Wut oder Ärger sind ähnliche Gefühle, wobei der Zorn eine deutlich aggressivere Tendenz hat. Zorn ist auf der einen Seite ein Gefühlsausdruck, der eine seelische Verletzung nicht depressiv verarbeitet, sondern zu Aktion führt und deshalb hat er eine positive und sinnvolle Seite, auf der anderen Seite besteht aber die Gefahr, dass gerade der Zorn entgleisen kann und sich dieses Gefühl in Aggression gegen andere den Weg bahnt, dann ist er gefährlich.
Diese zwei Seiten spricht der Bibeltext aus dem Epheserbrief an. Er nimmt es als gege­ben hin, dass Menschen zürnen, und er verurteilt dieses Gefühl nicht grundsätzlich. Er ermahnt uns aber zur Vorsicht im Umgang mit diesem Gefühl. Wem die Gefahren bewusst sind, dass Zorn schnell in Aggression umschlagen kann, der wird wohl davor bewahrt, dass aus Zorn Sünde wird, wie es der Epheserbrief nennt.
Der Autor des Epheserbriefes zitiert übrigens im ersten Teil ein Psalmwort aus Psalm 4, dort geht der Satz aber anders weiter: „Zürnet ihr, so sündiget nicht; redet in eurem Herzen auf eurem Lager und seid stille.“ Der Ratschlag des Psalmbeters zum Umgang mit dem eigenen Zorn ist also ein anderer, er ermahnt dazu, den Zorn lieber mit sich selbst auszumachen und damit auch nicht in Aggression nach außen umschlagen zu lassen, ja er meint sogar, man solle sich, wenn man zornig ist, lieber still alleine ins Bett legen und warten bis er verraucht ist. Der Ratschlag des Epheserbriefes ist ganz anders und nimmt damit eine bis heute gültige Volksweisheit auf: „lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“ – also legt den Streit bei, bevor ihr ins Bett geht. Das ist in vielen Situationen im Leben ein hilfreicher Ratschlag, nicht nur weil es die Menschen besser schlafen lässt, sondern auch weil es hilft, dass sich der Zorn nicht weiter aufstaut, sondern in konstruktive Energie umwandelt, wenn die zugrundeliegende Verletzung zur Sprache gebracht wird und ausgesprochen wird. Viele Missverständnisse im Zusammenleben lassen sich damit vermeiden, das gilt sowohl in Partnerschaften, aber auch für andere Freundschaften und das Miteinander am Arbeitsplatz.
Der biblische Text gibt es uns also sehr konkrete Ratschläge wie wir unser Zusammen­leben verbessern können – es tut sicher gut, wenn wir uns das bewusst machen und uns beim nächsten Grund zornig zu sein daran erinnern.

Ihr Pfarrer Matthias Welsch
Vorstand Personal und Diakonie